Die Comedia Frisingana und das bayerische Schulmusiktheater

Autor/innen

  • Wilfried Stroh

DOI:

https://doi.org/10.15463/gfbm-mib-2018-224

Abstract

Am 6. und 7. Oktober 2018 wurde in Freising eine lateinische „Oper“ wiederaufgeführt, die ein einzigartiges Dokument benediktinischer Musikkultur darstellt. Überliefert unter dem Verlegenheitstitel Comedia Frisingana, war sie ursprünglich Teil eines musikalisch-dramatischen Gesamtkunstwerks, das im September 1739 zum Schuljahresabschluss des Freisinger Gymnasiums auf der Bühne des heutigen Asamssaals von den sog. Musae Benedictinae dargeboten wurde. In insgesamt sieben Teilen, wovon vier musikalisch durchkomponiert waren, ging es um die „Glückliche Beständigkeit im Glauben“ (Felix in fide constantia): Diese wurde in drei Sprechakten an einem der Christenverfolgung ausgesetzten Japaner gezeigt, in zwei dazwischen geschalteten Musikszenen (chori) an Abraham und Isaak, schließlich in dem musikalischen Prolog und Epilog an den allegorischen Gestalten der Abgötterei (Idololatria) und der menschlichen Seele (Anima Christiana). Textdichter war der Leiter der Freisinger Rhetorikklasse, Gabriel Liebheit, Komponist nicht, wie seit über hundert Jahren angenommen, Placidus von Camerloher, sondern der Münchner Hoforganist Petrus Lapiér, dessen Werke sonst noch kaum bekannt sind. In der vorgelegten Studie geht es darum, das Werk in die Geschichte des lateinischen Schultheaters (in Deutschland seit 1495) einzuordnen. Dieses war fast immer mit Musik verbunden. So lag es vor allem an der Musik, dass sich die Gesangstexte im Laufe der Zeit von metrischen zu eher rhythmischen wandelten. Schwergewicht der Untersuchung liegt zunächst auf München, das mit seinem Jesuitentheater zeitweise führende Theaterstadt Europas war, dann aber vor allem auf Münchens Mutterstadt Freising, wo am fürstbischöflichen Hof in Verbindung mit dem erst 1697 gegründeten Gymnasium schon vor Camerloher namhafte Musiker wirkten. Hier entwickelte sich in wenigen Jahrzehnten aus einer der antiken Tragödie nachgebildeten Dramenform ein speziell Freisinger Musikdrama, das Gesang und Sprechtext in überraschender Weise mit einander verquickte. Die Unkenntnis dieser Form führte dazu, dass man in der Wissenschaft die sog. Comedia Frisingana als in sich geschlossene Oper ansah und somit auch nicht richtig zuordnen und datieren konnte. In einem als Anhang mitgeteilten (bisher unbeachteten) Essay erläutert der Benediktiner Liebheit, der die Freisinger Form wesentlich geprägt hat, warum und worin seiner Meinung nach das moderne Drama vom antiken in Musik und Handlung abweichen muss.

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